Nicht nur die Oppositionsparteien CDU und FDP sehen bei der von den Grünen vorgeschlagenen Reform der Stellplatzverordnung noch Verbesserungsbedarf. Der Clubverstärker fordert eine Abschaffung.
Stellplätze für Fahrräder und Lastenräder, Car-Sharing-Stationen oder Zeitkarten für den öffentlichen Nahverkehr statt Pkw-Parkplätze – mit dieser Grundidee will die Bremer Grünen-Fraktion die Stellplatzverordnung für Neubauten reformieren. Dafür haben sie ein Positionspapier vorgestellt (wir berichteten). Das sorgt für gemischte Reaktionen und offene Fragen. Nicht nur die Oppositionsparteien CDU und FDP sehen noch Verbesserungsbedarf. Die Interessenvertretung Clubverstärker fordert die komplette Abschaffung.
Der Vorschlag der Grünen sehe vor, „das Autofahren und -parken so unattraktiv und teuer wie möglich zu machen und damit mehr Menschen auf andere Fortbewegungsmittel zu zwingen“, meint Thore Schäck, Baupolitiker der FDP. Ein eigenes Auto sei schon heute mit Abstand das teuerste Fortbewegungsmittel. „Der Preis kann also nicht der Grund sein, warum Menschen weiterhin ihr Auto nutzen“, so Schäck. Wenn die Grünen nun forderten, Parkplätze weiter zu verknappen und durch hohe Parkgebühren die Pkw-Nutzung teurer zu machen, werde dies nichts zur Mobilitätswende beitragen. Stattdessen werde der abendliche Parksuchverkehr und damit die Umweltbelastung weiter zunehmen.
Grüne wollen drei Zonen
Der Ansatz der Grünen, weiterhin in „starren Zonen“ zu denken, sei nicht mehr zeitgemäß und könne nicht die Lösung sein, sagt Heiko Strohmann, verkehrspolitischer Sprecher der CDU. Die Grünen wollten abgestuft nach drei Zonen das Maß von verpflichtenden, klimaschonenden Maßnahmen festlegen. Strohmann: „Wir brauchen eine mobilitätsabhängige Stellplatzverordnung.“ Die Unterschiede in den Stadt- und Ortsteilen seien so immens, dass eine Zonenregelung diesen Ansprüchen nicht gerecht werde.
Das Papier ist nach Angaben von Mitinitiator Ralph Saxe (Grüne) zum jetzigen Zeitpunkt nur ein Vorschlag. Eine vertiefte rechtliche Prüfung müsse noch folgen. „Bislang hat kein Mieter hinterfragt, dass man Parkplätze bei Neubauten mitbezahlen muss“, so Saxe. Warum diese Frage nun bei klimaschonenden Maßnahmen kommen sollte, verstehe er nicht. Auch auf die Behörde sieht er durch die Änderungen nicht mehr Bürokratie zukommen, als es sie bislang durch die alte Regelung schon gebe. Zudem hätten Bauherren die Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten, die sie statt Stellplätzen umsetzen können. Damit werde dementsprechend kein ÖPNV- oder Carsharing-Anbieter bevorzugt. Schon jetzt ist es seinen Angaben zufolge zudem auf freiwilliger Basis möglich, dass Bauherren statt Stellplätze auch ÖPNV-Tickets anbieten können. Deswegen habe er keine Bedenken, dass dies nicht umsetzbar sei.
Der SPD-Baupolitiker Falk Wagner sagt: „Es ist konzeptionell der richtige Weg, alternative Mobilitätskonzepte anstelle von Parkplätzen, speziell nahe des Stadtzentrums, auszubauen.“ Er verweist darauf, dass wesentliche Bestandteile des Grünen-Positionspapiers im Koalitionsvertrag verankert seien. Der SPD gehe es bei der Reform darum, „das Bauen generell günstiger wird, damit Wohnen bezahlbar bleibt.“ Ralf Schumann (Linke) sieht das Geld, das in Auto-Stellplätze geflossen wäre, in Mobilitätskonzepten gut angelegt. „Das ist keineswegs ein Streitthema in der Koalition“, sagt er. Dass die Stellplatzverordnung modernisiert werden muss, hält auch Bausenatorin Maike Schaefer (Grüne) für „dringend“ notwendig.
Handelskammer lehnt Grünen-Vorschlag ab
Die Handelskammer fordert dagegen Verfahrensvereinfachungen und Anreize für kostengünstigeres stadtverträgliches Bauen. „Verbote und Regelungswut, wie sie dem Grünen-Vorschlag zu eigen sind, werden von uns abgelehnt“, sagt Olaf Orb, Innenstadtbeauftragter der Kammer. Nicht grundlos hätten andere Städte wie Berlin und Hamburg ihre Stellplatzverordnungen inzwischen gänzlich abgeschafft. „Gerade im Innenstadtbereich mit seinen kurzen Wegen und sehr gutem ÖPNV-Angebot bedarf es für Neubauten eigentlich weder Stellplatzverpflichtung noch alternativer Mobilitätskonzepte“, so Orb.
Der Clubverstärker, die Interessenvertretung von Bremer Clubs und Spielstätten, begrüßt die Vorschläge der Grünen, geht aber noch einen Schritt weiter. Victor Frei vom Clubverstärker sagt, die Stellplatzverordnung müsse komplett abgeschafft werden – vor allem, wenn Livemusik-Spielstätten und andere kulturelle Einrichtungen neugegründet oder umgenutzt würden. „Die derzeitigen Richtlinien blockieren das durch hohe Ablösezahlungen.“