Der Sänger, Songschreiber und Schauspieler Kris Kristofferson hat wenig anbrennen lassen in seinem wilden Leben. Nun ist er mit 88 Jahren gestorben.
Kris Kristofferson war ein Erneuerer und ein Zerstörer, (vor allem körperlich) liebesbedürftig und gewalttätig, reflektiert und hedonistisch. Unter dem Einfluss seines seit 1970 tonangebenden Songschreibertums und seines von wenig Beherrschung geprägten Lebensstils legte die amerikanische Music City ihren Pat-Boone-Puritanismus ab und wurde „New Nashville“; genauso, wie er selbst und zur selben Zeit zu einem integralen Bestandteil von „New Hollywood“ wurde, als „singender Cowboy“ im zweiten Dennis-Hopper-Film wie, vor allem, als Stichwortgeber für Martin Scorseses „Taxi Driver“, wo die schöne, leider etwas beflissene Cybill Shepherd die Vorstellungskraft von „Gottes einsamstem Mann“ Robert De Niro mit der Diagnose herausfordert: „He’s a poet he’s a picker he’s a prophet he’s a pusher / He’s a pilgrim and a preacher and a problem when he’s stoned / He’s a walking contradiction partly truth and partly fiction“.
Das ist aus dem Song „The Pilgrim, Chapter 33“, den Kristofferson Johnny Cash gewidmet hat, der aber genau so gut auf ihn selbst passt, wie das gleichfalls auf Cash und dessen Frau June gemünzte „To Beat the Devil“. Vor die Notwendigkeit, dem Teufel ein Schnippchen zu schlagen, ist man eigentlich nur gestellt, wenn man an ihn glaubt und sich mit ihm einlässt. Kristofferson tat beides und hatte damit die meiste Zeit seines langen Lebens auch gut zu tun. Viele seiner Lieder handeln von Hingabe und Übertritt, Sehnsucht und Ernüchterung, Sünde und Vergebung.
Hilf ihm durch die Nacht
Das Literaturstudium des Oxforder Rhodes-Stipendiaten, der er bis 1960 war, wird sicher nicht geschadet haben, als es darum ging, seine Einsichten in wenige, klug formulierte, zuweilen sprichwörtlich gewordene Verse zu packen – „Loving Her Was Easier (Than Anything I’ll Ever Do Again)“, „Sunday Mornin’ Comin’ Down“ und, besonders schön, „Help Me Make it Through the Night“. Im wesentlichen war es aber wohl angeborenes Talent, gepaart mit der Lebenserfahrung des geborenen Texaners, des ehemaligen und als solcher drei Jahre in Bad Kreuznach stationierten Air-Force-Captains, des Gelegenheitsarbeiters und des Trunkenbolds.
Man muss sich das mal vorstellen: Als Bob Dylan in Nashville „Blonde On Blonde“ (1966) aufnahm, hörte Kristofferson mit dem Besen in der Hand zu, weil er den Fußboden des Columbia-Studios fegen musste – eine Szene wie die im Juni 1964, als die Rolling Stones in Chicago ihre Bluesstücke aufnahmen und den Mund nicht mehr zukriegten, weil Muddy Waters sich dort als Hilfsarbeiter nützlich machen musste. Phasen solch krasser Unterprivilegiertheit kannte Kristofferson nicht, auch keine urheberrechtlichen Enteignungen; dafür war er dem Establishment, das sich einen Outlaw wie ihn ganz gerne leistet, dann doch zu verhaftet, und dafür hatte er mit seinen zahlreichen Filmrollen – für Scorsese, Michael Cimino und mehrere für Sam Peckinpah, am denkwürdigsten in „Pat Garrett & Billy The Kid“ (1973) – auch ein zu festes zweites Standbein.
Es gibt diese Singer-Songwriter, bei denen die Bedeutung des Interpreten hinter der des Autors zurückfällt, Randy Newman zum Beispiel, Bobby Womack, ja, sogar von Dylan gibt es eine Reihe von Songs, die andere viel besser eingesungen haben als er selbst. Doch wenn man sich die schwermütige Schönheit vergegenwärtigt, die Kris Kristofferson mit seinem oft in den Bass abgleitenden Bariton und mit seiner wunderbaren Lyrik auf seinen von den Vollprofis aus Nashville eingespielten Monument-Platten fast ein Jahrzehnt lang verströmte, dann mag man ihn nur bedingt dazu zählen.
Den Country modernisiert
Er ließ es geschehen, dass andere sein Material vor ihm verwendeten, es ihm aber nie wegnahmen. Der Country, zu dessen mehr Tiefe und mehr Komplexität beweisender Modernität er genauso beigetragen hat wie seine „Highwaymen“-Kumpel Johnny Cash, Willie Nelson und Waylon Jennings, hat es nun einmal an sich, dass man weder stimmlich noch instrumentell groß aus sich heraus- oder gar zum Äußersten geht, wie dies auf wahrhaft unsterbliche Weise Janis Joplin mit „Me and Bobby McGee“ tat, das ja erst in ihrer Fassung zu einem der größten Rocksongs aller Zeiten wurde.