Raubtaten gehen zum fünften Mal in Folge zurück / Insgesamt leichter Anstieg der Fallzahlen in Bremen / Allein 1159 Delikte gehen auf das Konto des BAMF-Verfahrens
Innensenator Ulrich Mäurer, Polizeipräsident Lutz Müller, der Direktor der Ortspolizeibehörde Bremerhaven, Harry Götze, sowie der Leiter des Landeskriminalamtes, Jürgen Osmers, haben heute (Montag, 9. März 2020) die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 2019 vorgestellt. Unterstützt wurden sie dabei von der Leiterin der „Zentralstelle Analyse“ des Landeskriminalamtes, Dr. Daniela Hunold. Die Zahl der Straftaten im Land Bremen ist im vergangenen Jahr leicht gestiegen, nämlich von 74.524 auf 78.228 Delikte. Dabei gingen allein 1.159 Taten auf das Konto des sogenannten BAMF-Verfahrens, erläuterte Innensenator Mäurer auf der Pressekonferenz. Die Aufklärungsquote sank im Land von 49,2 auf 48,7 und in Bremen Stadt von 49,3 auf 48,5 Prozent. Insgesamt zeigten sich keine herausragenden Abweichungen zum Vorjahr. Erfreulich sei jedoch der erneute Rückgang beim Raub. Hier stieg in Bremen (Stadt) auch die Aufklärungsquote von 41,9 auf 44,4 Prozent. Analog zum Bundestrend sank zudem erneut leicht die Zahl der Wohnungseinbrüche in Bremen.
In Bremerhaven liegt die Anzahl der Wohnungseinbrüche mit 279 Taten auf dem Niveau des Vorjahres (281). Damit setzt sich der positive Trend in der Seestadt in diesem Deliktsfeld seit über fünf Jahren fort. Bei der vorsätzlichen Brandstiftung konnte die Bremerhavener Polizei die Fallzahlen dank großer Anstrengungen einer Sonderkommission sogar mehr als halbieren (von 101 auf 45 Fälle) und damit durch Ermittlungserfolge mehrere Brandserien unterbrechen und aufklären.
Zu den Fallzahlen in der Stadt Bremen:
Im Bereich der Straftaten gegen das Leben haben sich die Fallzahlen im Vergleich zum Vorjahr mehr als halbiert und bewegen sich jetzt wieder auf ähnlichem Niveau wie in den Jahren zuvor. (Zur Erklärung: Die ungewöhnlich hohen Zahlen im Vorjahr waren Ergebnis einer erfolgreich arbeitenden Ermittlungskommission gegen Steinewerfer auf Autobahnen und Bundesstraßen). In Bremen gab es vier vollendete Tötungsdelikte und 21 Taten, bei denen es beim Versuch blieb. In fünf Fällen, die teils im Umfeld der Discomeile stattfanden, konnten keine Täter ermittelt werden, sodass die Aufklärungsquote in diesem Deliktsfeld niedriger als üblich ausfiel.
Bei den Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen sank die Zahl von 127 auf 102 Delikte in 2019. Die Anzeigenbereitschaft bleibt nach den „Me too – Debatten“ hoch.
Im Deliktsfeld sexueller Missbrauch von Kindern sowie Kinderpornografie sind jeweils starke Anstiege zu verzeichnen (von 68 Taten auf 112 Taten sowie von 49 auf 105 Taten). Eine Erklärung hierfür liegt nach den Ausführungen von Polizeipräsident Müller beim Bundeskriminalamt, das im vergangenen Jahr eigene Rückstände in konzertierten Aktionen aufgearbeitet und seine Ermittlungsansätze im Zusammenhang mit internationalen Providern anschließend in die Länder gegeben hat. Hier wurden die Hinweise dann, wie in Bremen auch, weiterbearbeitet.
Zum Raub: Die Zahl der Raubtaten insgesamt ist zum fünften Mal in Folge in Bremen gesunken, von 816 auf 757 Taten. „Das ist eine erfreuliche Entwicklung“, so Innensenator Mäurer. „Die Maßnahmen der Polizei zeigen Wirkung. Unser Ziel ist es zugleich, die Raubtaten noch weiter zu reduzieren, da jede dieser Taten Spuren bei den Betroffenen hinterlässt.“ Diese positive Tendenz zeigt sich auch beim Straßenraub. Lagen die Zahlen im Jahr 2012 noch bei 511 Taten waren es im vergangenen Jahr noch 282 Taten. In jedem dritten Fall konnte der Täter ermittelt werden.
Die Fallzahlen im Bereich der gefährlichen und schweren Körperverletzungsdelikte sind mit 1.444 Taten im Vergleich zum Vorjahr auf gleichbleibendem Niveau. Bei der einfachen vorsätzlichen Körperverletzung stiegen die Fallzahlen von 3.467 auf 3.755 Delikte an.
Die Zahl der Gewaltdelikte gegen Polizeibeamte bewegt sich ähnlich wie in den Vorjahren weiterhin auf einem hohen Niveau. Nachdem im vergangenen Jahr die Zahl der Straftaten in diesem Deliktsfeld gesunken war, ist im Jahr 2019 wieder ein Anstieg von 42 Taten auf 406 Straftaten festzustellen.
Bei der Diebstahlkriminalität stiegen die Fallzahlen von 27.268 auf 28.405 Delikte an. Beim Einbruchdiebstahl aus Dienst-, Büro-, Fabrikations-, Werkstatt- und Lagerräumen stiegen die Zahlen um 163 Taten auf 1.020 an, nachdem sie zuvor in den vergangenen drei Jahren kontinuierlich gesunken waren.
Beim Wohnungseinbruch sank die Zahl erneut leicht und damit seit 2014 zum fünften Mal in Folge auf jetzt 1.582 Fälle. Bei rund 45 Prozent der Fälle blieb es beim Versuch. Die Täter mussten aufgeben, weil sie gestört wurden oder an den Sicherheitsvorkehrungen scheiterten. Mäurer: „Das zeigt: Es lohnt sich, die eigene Wohnung oder das eigene Haus einmal mit den Augen eines potenziellen Einbrechers zu betrachten und mögliche Schwachstellen bei Fenstern und Türen zu beheben. Die meisten Täter geben auf, wenn sie nicht innerhalb kurzer Zeit zum Ziel kommen.“
Die Zahl der Diebstähle an und aus Kraftfahrzeugen fiel von 4.846 auf 4.257 Taten. Der Fahrraddiebstahl sank von 6.080 auf 5.377 Taten.
Bei der Zahl der Straftaten zum Nachteil älterer Menschen (SÄM-Delikte) kann die Bremer Polizei keine Entwarnung geben. Obwohl das Deliktsfeld einen Schwerpunkt in der Kriminalitätsbekämpfung darstellt, stiegen die Fallzahlen erneut leicht an auf 1.603 Fälle. Allerdings bleibt, aufgrund intensiver Präventionsarbeit und unterstützt von unterschiedlichsten Medien, der Versuchsanteil in diesem Deliktsfeld hoch. 1.234 Mal scheiterten die Täter an älteren Menschen, die rechtzeitig misstrauisch wurden, an aufmerksamen Angehörigen und Nachbarn oder Bankangestellten, die Verdacht schöpften. Im vergangenen Jahr schloss die Bremer Polizei ein umfangreiches Ermittlungsverfahren gegen mehrere Täter erfolgreich ab. Der neue Leiter der Bremer Kriminalpolizei, Jürgen Osmers, gibt sich jedoch keinen falschen Hoffnungen hin: „Auch wenn die Täter in 77 Prozent der Fälle scheitern, müssen SÄM-Delikte ein Schwerpunkt unserer Arbeit bleiben. Schon der bloße Versuch sorgt für Ängste und Beunruhigung bei den älteren Menschen.“
Im Bereich der vorsätzlichen Brandstiftung sank die Zahl trotz der Häufung in den letzten Monaten von 98 Taten auf 84 Taten in 2019.
Bei der Betäubungsmittelkriminalität registrierte die Polizei 2.798 sogenannte Konsumentendelikte und 241 Fälle von Handel und Einfuhr. Bei den Konsumentendelikten handelt es sich um Fälle, bei denen in zum Beispiel Straßenkontrollen Drogen für den Eigengebrauch bei Personen sichergestellt wurden.
Die sogenannte Tatverdächtigenbelastungszahl (Tatverdächtige je 100.000 Einwohner) nichtdeutscher Tatverdächtiger sank das dritte Mal in Folge auf jetzt 6.779. Hierbei wurden alle Delikte außer Verstöße gegen das Ausländerrecht mitgerechnet. Bei den deutschen Tatverdächtigen blieb die Tatverdächtigenbelastungszahl mit 2.481 annähernd gleich hoch.
Bei den nichtdeutschen tatverdächtigen Jugendlichen und Heranwachsenden bis 21 Jahre sank die Tatverdächtigenbelastungszahl das vierte Mal in Folge auf nunmehr 14.244. Hier scheinen die Präventionsprojekte, wie „Stopp der Jugendgewalt“, Wirkung zu zeigen. Ein Anstieg um 747 auf insgesamt 7.266 ist bei der Tatverdächtigenbelastungszahl junger deutscher Tatverdächtiger gleichen Alters zu verzeichnen.
Bearbeitungsrückstände:
Im Jahr 2019 gab es bei der Kriminalpolizei 15 Ermittlungsgruppen, für die insgesamt 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammengezogen wurden und deren Arbeit teils noch nicht abgeschlossen ist. So konnte beispielsweise die „Soko Grab“ einen 42-Jährigen ermitteln, der geplant hatte, seine Ex-Frau zu töten und im dringenden Tatverdacht stand, Brandanschläge gegen Anwälte und Richter begangen zu haben. Einer anderen Ermittlungsgruppe mit 12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gelang es, einem 39-jährigen Pfleger nachzuweisen, dass er zwei Frauen ohne medizinische Notwendigkeit Insulin gespritzt hatte. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Derzeit werden noch weitere Einrichtungen auf Auffälligkeiten hin überprüft, in denen der Täter zuvor gearbeitet hatte. Knapp 20 Ermittlerinnen und Ermittler waren zudem in der „Soko Goetheplatz“ monatelang damit beschäftigt, den Angriff auf den damaligen Bremer AFD Vorsitzenden Frank Magnitz aufzuklären. Während es in diesem Fall nicht gelang, die Täter zu überführen, konnte die Ermittlungsgruppe „Rapunzel“ mehrere Beschuldigte ermitteln und U-Haftbefehle erwirken, denen vorgeworfen wird, im Frühjahr 2019 in diverse Büros und Geschäftsräume eingebrochen zu sein. Für einen Zeitraum von über einem Jahr band weiterhin auch das sogenannte BAMF-Verfahren zwischen 15 und 20 Ermittler. Die Zahl der noch unbearbeiteten Fälle ist dadurch erneut gestiegen. Dazu Polizeipräsident Lutz Müller: „In den vergangenen Jahren hatten wir immer einige Tausend Fälle, deren Bearbeitung wir zunächst zeitlich hintenanstellen mussten. Dieser Zustand hat sich vor dem Hintergrund der Personalsituation und der vielen Ermittlungsgruppen noch einmal verschärft und ist für uns nicht akzeptabel. Der jetzigen Entwicklung müssen und werden wir entgegenwirken.“ Dazu sind verschiedene Maßnahmen bereits in 2019 eingeleitet worden, die aber erst in 2020 greifen werden.
Die Leiterin der „Zentralstelle Analyse“ des Landeskriminalamtes, Dr. Daniela Hunold, wies darauf hin, dass die jährlich veröffentlichte PKS in den Ländern nur eine Quelle sei, um das Kriminalitätsgeschehen darzustellen. So stimme die Datenlage in der PKS nicht immer mit den tatsächlichen Entwicklungen und dem subjektiven Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger überein. Ergänzend zur PKS geben auch sogenannte Dunkelfeldbefragungen Hinweise auf das Kriminalitätsgeschehen. Als Beispiel nannte Dr. Hunold Dunkelfeldbefragungen aus Niedersachsen zum Deliktsfeld des Wohnungseinbruchs. Über 80 Prozent der Betroffenen zeigten demnach einen versuchten oder einen vollendeten Wohnungseinbruch an. „Damit kommt die PKS dem tatsächlichen Kriminalitätsgeschehen sehr nahe“, so Dr. Hunold. Trotz der seit 2014 stetig abnehmenden Fallzahlen in der PKS stiegen aber die Befürchtungen der Bürgerinnen und Bürger, selbst Opfer zu werden. Das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung passe somit nicht zum tatsächlichen Geschehen. Die offensive und wichtige Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei könne manche Menschen auch verunsichern, da damit ein als bedrohlich empfundenes Thema Raum in der Öffentlichkeitsarbeit finde. Dr. Hunold: „Das ist ein Spannungsfeld, das wir bei der Präventionsarbeit immer mitdenken müssen.“